Herz über Kopf Entscheidung
- Sarah Barbaric
- 24. Nov. 2024
- 5 Min. Lesezeit

Standest du auch schon an einer Kreuzung im Leben, an der sich Herz und Kopf scheinbar unversöhnlich gegenüberstatnden?
Seit Monaten versuchen wir uns erfolglos dem Arbeitsalltag hinzugeben. Mijo versprach sich ein weiteres Mal der Rolle als Angestellter in einem Bundesbetrieb, während ich mich um die Betreuung der Kinder und unserer Firma kümmerte. Wir erhofften uns davon ein bisschen mehr Struktur, Sicherheit und Stabilität. Man könnte sagen, dass die Struktur plangemäss Einkehr hielt und zwar schneller, als uns lieb war. Sogar das Aufstehen war geregelt. Das habe ich bereits zu Zeiten, als ich noch arbeitete eingestellt und mich für das Aufwachen ohne Wecker entschieden. Natürlich musste ich für zeitgebundene Meetings Ausnahmen machen, was mir damals schon zunehmend schwer gefallen ist. Nun, zurück zu unserer Struktur. Morgens um 6 Uhr stehen wir auf, damit wir unseren Kaffee zu zweit geniessen können, ehe wir die Kinder wachmachen müssen. Spätestens um 7 Uhr war es dann soweit, wir rissen die Kinderlein aus ihrem wohligen Schlaf in deren warmen, kuscheligen Bett. Fragten unseren 3 jährigen Sohn, der gerade unsanft vom Traumland auf der Erde landete, mit hoher, niedlicher Stimme ob er denn gut geschlafen habe. Anstelle der erhofften Antwort entgegnete uns der erste Wutanfall, ohne Aussicht auf Beruhigung und im Wissen, dass es nun gleich losgehen muss mit anziehen. Klar, dass ein 3-jähriges Kind dies sofort einsieht und kooperativ am selben Strick zieht. Nein, natürlich nicht. Ein Kind möchte nach einer Nacht alleine im Zimmer erst einmal die Verbindung zu den Eltern herstellen, was für das Kind Sicherheitsaufbau bedeutet. Doch dafür war keine Zeit, denn wir müssen ja schliesslich arbeiten gehen, damit wir die KITA finanzieren können, die unsere Kinder besuchen, damit wir arbeiten können. Ausserdem ist um 7:45 Uhr Frühstück angesagt in der KITA. Also, hopp hopp. Bereits um 7:30 Uhr war die Stimmung im Keller. Von unserer (nicht vorhandenen) Energie reden wir erst gar nicht. Die gesamte Wirkung gegen die Natur, der auferlegte Druck und der künstlich aufgebaute Stress einhergehend mit Überzeugungstaktiken und dem Auffangen aller Emotionen, fühlten wir uns nach nur 1 Stunde fix und fertig. Mit ein bisschen Ignoranz und Unterdrückung der eigenen Emotionen ging es dann aufgewühlt in die Alltagswelt. Nach der Arbeit holt Mijo die Kinder in der KITA ab, während ich das Essen zubereite. Beim Wiedersehen trafen das Erlebte, die Grundbedürfnisse und die Wünsche von 4 Personen aufeinander. Doch die Zeit war beschränkt, denn dann waren die Vorbereitungen der Abendrituale an der Reihe. Für ein Kind m.E. ebenfalls sehr wichtig, denn nach einem langen Tag ohne Eltern, möchte beidseits wieder Verbindung hergestellt werden. Mit Verbindung meine ich übrigens zusammen spielen, Augenkontakt herstellen - das Kind sehen! - und sich näher kommen mit kuscheln und Liebe geben. Ehe das Kind dann wieder für eine ganze Weile alleine im Zimmerchen sein wird und der ganze Spuk von vorne beginnt. Und wenn ich die Details jammernd beschreibe, dann geht es mir nicht darum zu wissen, was besser hätte laufen können in den Abhandlungen der Dinge. Natürlich haben wir das Nötige vorgenommen um zu Optimieren. Es ist mir einfach wichtig zu schildern, wie es wirklich war und auch mein Gefühl rüberzubringen. Stabilität: Tja, Mijo brachte ein tolles Salär nach Hause. Damit auch ordentlich KITA, Steuern, und alle anderen Auslagen gedeckt werden können, damit ein Paar arbeitstätig sein und nebenbei eine Familie haben kann. Ja, du liest richtig: NEBENBEI eine Familie haben kann. Thema Sicherheit: Diese Art zu leben ist ein Garant für die Sicherheit einer entstehenden Unzufriedenheit und das Einnisten in die Komfortzone. Die übrigens alles andere als komfortabel ist. Über die Folgen eines unzufriedenen Lebens muss ich wohl nicht näher eingehen. Oder vielleicht doch?
Doch was tun? Wir fühlten uns ausgeliefert. Zumal ja trotzdem auf den ersten Blick alles aufzugehen schien.
Je länger wir in uns hineinlauschten, desto klarer wurde uns: Wir können so nicht weiter machen. Während wir nur noch funktionierten, wurden wir zusehends unglücklicher. Doch etwas fühlte sich harzig und schwer an und liess uns ein bisschen rat- und hoffnungslos zurück. Wir haben rückblickend lange gebraucht, um herauszufinden was es genau auf sich hatte mit diesem becklemmenden Gefühl. Am Ende war es eine Kumulation verschiedener Aspekte und Gründe. Einerseits das Gefühl des Versagens, Ausgegrenztheit (der Gesellschaft nicht zugehörig), Angst loszulassen von unserem Überkonsum, Angst vor dem Schritt aus dem Gewohnten, der Komfortzone und rein in das Unbekannte. Doch da war es wieder, der immer lauter werdende Mut, uns für das Leben zu entscheiden, das sich wahrhaftig und richtig anfühlt.
Etliche Stunden haben wir hoch und runter diskutiert, abgewogen, Ideen geschmiedet und wieder über Bord geworfen. Eifrig über unsere Zukunft philosophiert, bis uns wieder das Gefühl der Angst überkam. Wir haben gefühlt mehrere Berge und Täler passiert. Bis zum Tag X! Es war der Tag der Entscheidung. Wir setzten den Gesprächen ins Leere ein Ende und entschieden uns Nägel mit Köpfen zu machen. Dies bedingt einen bewussten Umgang mit unseren Ängsten. Wir waren uns einig, wir wollen uns von Verpflichtungen lösen, die zwar vernünftig schienen, sich aber nie wirklich stimmig angefühlt haben. Verpflichtungen, die nicht aus unserem Innersten kamen, sondern aus dem Bedürfnis, vermeintliche Sicherheit zu erlangen sowie Erwartungen zu erfüllen – Erwartungen unserer Mitmenschen, der Gesellschaft, oder vielleicht sogar die unseres eigenen inneren Kritikers. Dieser erste Schritt war war wohl der Schwierigste. Es bedeutete, alte Sicherheiten loszulassen, sich von der Idee zu verabschieden, dass ein „normales Leben“ das einzig Richtige sei.
Stattdessen haben wir beschlossen, unserem Leben Raum zu geben – Raum für Freiheit jeglicher Art, für Entdeckungen und für das Abenteuer, die Welt und das Reisen zu unserer Lehrerin zu machen. Reisen ist für uns mehr als nur Bewegung von einem Ort zum anderen. Es ist eine Lebensschule, an der wir und unsere Kinder wachsen dürfen. Es bedeutet erkunden, entdecken, Abenteuer erleben, Horizonte erweitern, sich entwickeln, sich auf den Weg machen, forschen, Expedition, Selbstfindung, inneres Wachstum, eine Reise der Erkenntnis, Kulturen kennenlernen. Im Endeffekt ist es eine Reise zu sich selbst. Für unseren dreijährigen Sohn wird es eine Zeit sein, die von Neugier, Fantasie und Erlebnissen geprägt ist. Für unser neun Monate altes Baby bedeutet es, die ersten Schritte in eine Welt zu setzen, die unendlich vielfältig und inspirierend ist. Für uns alle wird es eine Chance sein, uns selbst und einander auf einer neuen Ebene mit unkonventionellen Bedingungen zu begegnen.
Wir haben uns entschieden, uns nicht länger von gesellschaftlichen Konventionen diktieren zu lassen, was richtig oder falsch, sinnvoll oder unsinnig ist. Denn was wirklich zählt, ist, dass unser Leben zu uns passt – zu unseren Werten, Träumen und zu dem, was wir unseren Kindern vorleben möchten. Das Wichtigste vorweg: ZUSAMMEN ZEIT VERBRINGEN!
Die Vorfreude auf das, was vor uns liegt, erfüllt uns mit tiefer Dankbarkeit und grosser Demut. Ja, es gibt Herausforderungen. Ja, es gibt Unsicherheiten. Aber wir haben auch die Gewissheit, dass dieser Weg unser eigener ist. Und das macht ihn unbezahlbar. Wir reisen nicht, um vor etwas zu fliehen, sondern um etwas zu finden: uns selbst, die Freiheit und die unzähligen Möglichkeiten und Geschichten, die das Leben für uns bereithält.
Comments